Charlotte Buff
Mitte Mai 1772 wanderte Goethe zu Fuß nach Wetzlar,
um dort ein Praktikum am Reichskammergericht anzutreten. Auch dieses Praktikum
an einem der beiden obersten Reichsgerichte (das andere war in Wien) war
fester Karrierebestandteil eines angehenden hohen Beamten im ancien régime.
Wetzlar war aber nicht nur der Sitz des Reichskammergerichts. Die Anwesenheit
der vielen Gesandtschaftssekretäre und Praktikanten, ständig
wechselnder hoffnungsvoller lediger junger Männer, die alle eine große
Zukunft vor sich sahen, schuf eine leicht hektisch erotisierte Atmosphäre.
Daß Goethe sich in Wetzlar in Charlotte Buff (1753-1774), die Verlobte
des hannoverschen Gesandtschaftssekretär in Wetzlar Johann Christian
Kestner verliebte, war eigentlich nichts Besonderes.
Eher schon, daß der braunschweigische Gesandtschaftssekretär
Carl Wilhelm Jerusalem (ein Leipziger Studienkollege Goethes, Sohn eines
berühmten Theologen) sich aus unglücklicher Liebe zur Gattin
des Pfalz-Lauterner Gesandtschaftssekretär Philipp Jakob Herd (Herdt)
am 30. Oktober des Jahres erschoß. Beides, die eigene Verliebtheit
und die Nachricht vom Tod des unglücklichen Jerusalem, gaben den Stoff
ab für Goethes Welterfolg Die Leiden des jungen Werthers. Dieser
Roman entstand allerdings erst nach rund anderthalb Jahren des Austragens
und 'Sichründens', und er soll auch hier erst an späterer Stelle
und etwas losgelöst von der Wetztlarer Situation genauer betrachtet
werde.
Statt dessen mag man sich hier an Lottes Bildnis erfreuen
und sich fragen, ob man dem jungen Praktikanten nachfühlen könnte:
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