Zelebrität II: Erbprinz Carl August

Goethes
erste Begegnung mit Carl August (1757-1828), dem Erbprinzen von Sachsen-Weimar,
fand im Dezember 1774 in Mainz statt. Der Herzog befand sich auf einer
Bildungsreise nach Paris, die ihm den letzten Schliff für den Antritt
seiner Ehe (zuständig für diesen Teil war eine Madame Brossard
in Metz, die fortan eine Rente bezog) und den Antritt seiner Regierung
geben sollte. Zu diesem Bildungsprogramm gehörte auch ein Gespräch
mit dem jungen Genie, das der literarisch ambitionierte Offizier und Erzieher
des Prinzen Constantin Carl Ludwig von Knebel vermittelte. Weimar galt
schon damals als 'Musenhof'. Die Herzogin Anna Amalia hatte es verstanden,
den eher ärmlichen Verhältnissen ein niveauvolles kulturelles
Leben abzuringen, nicht zuletzt durch das Engagement Christoph Martin Wielands
als Prinzenerzieher. Ein 'zufällig' auf dem Tisch liegendes Exemplar
von Justus Mösers "Patriotischen Phantasien" (Knebel hatte das arrangiert:
Möser war ein Apologet der traditionsgebundenen Kleinstaaten) löste
ein fruchtbares Gespräch aus, das bei erneuten Begegnungen Ende Mai
1775 und im Herbst 1775 fortgesetzt wurde und schließlich zur Einladung
Goethes nach Weimar führte.
Mit welch eigentümlichen Konstellationen der Förmlichen
und des Privaten wir bei der Wahrnehmung dieser fremden Welt rechnen müssen,
mag ein späteres Zeugnis (16. März 1776) belegen: Ein Schreiben
des Weimarer Beamten Johann August von Kalb an Goethes Eltern, in dem Kalb
im Namen des Herzogs förmlich um die Zustimmung zum Engagement des
Sohnes als "Geheimer Legationsrat" bittet:
Bis diesen Augenblick habe ich
angestanden, Ihnen, meine liebsten Eltern, über einen Gegenstand zu
schreiben, in dem sich alle meine Wünsche vereinigen.
Die wechselseitige Neigung des Herzogs
gegen Ihren vortrefflichen Sohn, das ohnumschränkte Vertrauen, so
er in ihn setzt, macht es beiden ohnmöglich, sich voneinander zu trennen.
Nie würde er darauf verfallen sein,
meinen Goethe eine andere Stelle, einen andern Charakter als denn von seinem
Freunde anzutragen; der Herzog weiß zu gut, daß alle andere
unter seinem Werte sind, wenn nicht die hergebrachte Formen solches nötig
machten.
Mit Beibehaltung seiner gänzlichen
Freiheit, der Freiheit, Urlaub zu nehmen, die Dienste ganz zu verlassen,
wann er will, wird unser junger edler Fürst, in der Voraussetzung,
daß Sie unfähig sind, Ihre Einwilligung dazu zu versagen, Ihren
Sohn unter demTitel eines Geheimden Legationsrats und mit einem Gehalt
von 1200 Talern in sein Ministerium ziehen.
Stellen Sie, die Sie mein Herz kennen,
in welchem meine Freundschaft zu Ihren trefflichen Sohne zur Leidenschaft
geworden, die Glückseligkeit vor, in Zukunft mein Schicksal mit dem
seinigen vereinigt zu sehen!
Wenn etwas solche hat erhöhen können,
so ist's dadurch geschehen, daß mich das Schicksal zur Mittelsperson
bei diesen allen von Anfang an bis zur Entwickelung ausersehen gehabt.
Wie gern werden Sie nicht Ihren Sohn,
Ihren ältesten Sohn, bei seinem Bruder [Kalb selbst] wissen, einen
Teil des Vergnügens, ihm mehr um sich zu haben, aufopfern, wenn Sie
daran denken, von wieviel Tausenden die Glückseligkeit durch diese
Aufopferung erhalten wird!
Ihr jüngster Sohn verkennt seine
Eltern nicht so sehr, um nur einen Augenblick zu zweifeln, daß diese
Betrachtung alle Selbstgefühle bei ihnen überwieget und mehr
als alle andern Rücksichten ihre Einwilligung zu einem Schritte vergewissert,
der in den edelsten Zwecken und auf die edelste Art geschiehet. Nehmen
Sie hingegen von Ihren Söhnen die Versicherung an, machen Sie es ihnen
zur süßen Pflicht, die glücklichen Stunden ihres Leben-.
bei Ihnen zuzubringen! Gern unternähm ich, Ihnen die Verhältnisse
meines Bruders zu bezeichnen, wenn ich mich dazu vermögend fühlte.
Denken Sie sich ihn als den vertrautesten Freund unsers lieben Herzogs,
ohne welchen er keinen Tag existieren kann, von allen braven Jungen bis
zur Schwärmerei geliebt, alles, was wider uns war, vernichtet - und
Sie werden sich noch immer zuwenig denken!
Machen Sie - ich beschwöre Sie darum
- das Glück Ihrer Söhne dadurch vollkommen, daß Sie ihren
Handlungen Ihren Beifall geben!
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