Zum Beispiel Herders eindringliche Hinweise auf Shakespeare.
Am 14. 10. 1771, nach dem protestantischen Kalender der Namenstag Wilhelms,
notiert der kaiserliche Rat Goethe in seinem Haushaltsbuch: "Dies Onomasticus
Schackspear 6 24", und zwei Tage später kommen noch 3 Gulden für die
Musiker dazu. Die Anregung zu dieser Namenstagsfeier war ein Bericht über
die dreitägige Shakespeare-Feier vom 6. bis 8. 9. 1769 in dessen
Geburtsort
Stratford-upon-Avon, die der englische Schauspieler Garrick initiiert hatte.
Dieser Bericht, von unbekannter Hand abgeschrieben, aber mit Goethes eigenhändiger
Schlußnotiz "tiré du Mercure de France du mois Decembre 1769",
befindet sich immer noch eingeheftet im ersten Band der Wielandschen Shakespeare-
Übersetzung, früher in der Bibliothek von Goethes Vater, heute
in Weimar. Im September hatte Goethe Herder zur Feier eingeladen:
Meine Schwester macht mich noch einmal ansetzen. Ich soll Sie grüsen, und Sie auf den vierzehnten Oktober invitiren, da Schäckesp. Nahmenstag mit grosem Pomp hier gefeyert werden wird. Wenigstens sollen Sie im Geiste gegenwärtig seyn, und wenn es möglich ist Ihre Abhandlung auf den Tag einsenden, damit sie einen Teil unsrer Liturgie ausmache. (An Herder ?. 9. 1771).
Herders Shakespeare-Abhandlung wurde erst drei Jahre später
veröffentlicht, aber dafür verfaßte Goethe selbst eine
Rede zum Shakespeare-Tag, die auch bei der Shakespeare-Feier der Straßburger
Freunde verlesen werden sollte. Der Schluß ist eine Kampfansage an
alle Halbheit, insbesondere der Schöngeister, die zwar Leidenschaften
empfinden, doch ihnen nicht zu folgen wagen und sie lieber im geschützten
Raum der poetischen Kleinmeisterei vertändeln:
Auf meine Herren! trompeten Sie mir alle edle Seelen, aus dem Elysium, des sogenanndten guten Geschmacks, wo sie schlaftruncken, in langweiliger Dämmerung halb sind, halb nicht sind, Leidenschafften im Herzen und kein Marck in den Knochen haben; und weil sie nicht müde genug zu ruhen, und doch zu faul sind um tähtig zu seyn, ihr Schatten Leben zwischen Myrten und Lorbeergebüschen verschlendern und vergähnen.
Das war nicht nur eine neue Poetik; das war auch ein Lebensprogramm.